Wilderei im Rechtsrockland Sachsen oder neonazistische Strukturhilfe?

Unter dem Motto „Für Frieden und Freiheit“ rufen die Organisator*innen um den Nazi Thorsten Heise am 2. und 3. November 2018 zum zweiten „Schild & Schwert“-Festival nach Ostritz auf. Wie schon in der ersten Auflage im April sollen Bands aus dem „Blood & Honour“-Netzwerk spielen, Kampfsportveranstaltungen, ein Politforum und eine Tattoo-Convention stattfinden. Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche des Publikums wird dieses Mal stärker differenziert werden: Straight Edge, Kampfsport und NS-Hatecore am Freitag, Balladen, Rechtsrock und Politikforum am Samstag.

Am 5. Oktober verfügte das Landratsamt Görlitz eine Nutzungsuntersagung für die Räume des „Hotel Neißeblick“ wegen mangelhaftem Brandschutz. Der Inhaber Hans-Peter Fischer postete Ende Oktober Fotos sowohl vom Bescheid als auch von der Versiegelung eines Raumes. Einmal mehr beschwerte sich der rechte hessische Bauunternehmer über die „Willkür des Systems“ und rief zum Teilen seines handgeschriebenen Wuttextes auf. Grund für den Anfang Oktober versendeten Bescheid könnte die am 13. Oktober stattgefundene Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ auf dem Gelände gewesen sein. Doch schlussendlich brachte die Nutzungsuntersagung nicht den vermeintlich gewünschten Effekt: Die Veranstaltung fand mit über 600 Teilnehmenden statt. Es reisten Nazis aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Tschechien und der Ukraine an. Dennoch scheint sich im Landratsamt und der regionalen Politik die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Nazis nicht einfach von sich aus verschwinden werden.

Die Etablierung des „Hotel Neißeblick“ als Veranstaltungsort der Naziszene ist zum Fakt geworden: Drei Großveranstaltungen haben im Jahr 2018 stattgefunden, wobei trotz teilweise großer Proteste die Veranstaltungen nicht nennenswert beeinträchtigt wurden. Dabei fällt die zentrale organisatorische Rolle des Thüringer Nazis Thorsten Heise und seines Umfelds auf. Es stellt sich die Frage, warum Heise, der als Landesvorsitzender der NPD in Thüringen, ausgestattet mit Kontakten ins rechtsterroristische Milieu und zum völkischen Flügel der AfD um Björn Höcke, gleichzeitig als Unternehmer neonazistische Musik vertreibt, in Sachsen ein Event wie das „Schild & Schwert“ auf die Beine stellt? Die letzten Rechtsrockkonzerte unter dem Deckmantel der Versammlung liegen zumindestens in Sachsen Jahre zurück. Bis Ende der 2000er organisierte die sächsische NPD die „Deutsche Stimme Pressefeste“ und die Jungen Nationaldemokraten den „JN-Sachsentag“. Im ostsächsischen Mücka fand die Partei damals einen Veranstaltungsort ähnlich wie nun in Ostritz. Nach dem verpassten Wiedereinzug in den Landtag 2014 kollabierten die Parteistrukturen in Sachsen. Zahlreiche Mitglieder kehrten der Partei den Rücken, wechselten zur AfD oder in andere neonazistische Kleinstparteien oder zogen sich ins Private zurück. Hinzu kam ein Führungsstreit unter den verbliebenen Parteisoldaten. Schlussendlich blieb ein kleiner Kreis alteingessenener Multifunktionäre übrig, der jedoch zunehmend den Anschluss an die rechte Szene Sachsens verloren hat und von der Szene kaum noch wahrgenomen wird. Auf genau dieses brachliegende völkische Potenzial, dem die AfD zu zahm daherkommt, zielt Heise mit dem Event. Ihm geht es um eine Reaktivierung und Restrukturierung der militanten, völkischen Rechten im Windschatten der AfD.

Während im April Balladen und Rechtsrock den Ticketverkauf sicherten, wird am 2. November mit NS-Hatecore-Bands wie Fehér Törvény, Terrorsphära und Painful Life ein eher moderneres, körperbetontes und jüngeres Klientel bedient. Die subkulturell geprägten Straight-Edge-Nazis („Lebenseinstellung“ unter anderem mit Verzicht auf Alkohol, Tabak und anderen Drogen) können so ohne die Alkoholleichen, die sie im April kritisierten, „ihre“ Bands sehen. Außerdem wird das Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ ebenfalls am Freitagabend stattfinden. Dazu wird es neben den Einzelkämpfen auch Team Fights geben, sozusagen Hooligankämpfe vor Publikum. Am Samstag treten schließlich, neben Flak für die Balladen, die klassischen Rechtsrockbands wie Sleipnir, Uwocaust, Nahkampf und Sturmwehr auf. Rund um die Konzerte soll es wieder reichlich Merchandise und ein „Politikforum“ geben. Dieses „Forum“ ist das Vehikel um das gesamte „Schild & Schwert“ als Versammlung unter dem Schutz des Grundgesetzes zu stellen.

Nachdem im Sommer zwei großangelegte Konzerte in Thüringen nicht wie geplant stattfinden konnten, wird sich in Ostritz für die Naziszene auch zeigen, ob der Veranstalter Thorsten Heise seine Ankündigungen halten kann. Somit geht es auch um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen, welcher Organisator*innen-Kreis die neonazistische Erlebniswelt für die Szene anbieten kann. Im Umkehrschluss könnte das für Ostritz einen Anstieg der Konzerte und teilnehmenden Nazis bedeuten.

Deshalb bleibt es auch im November unsere Aufgabe, das „Schild & Schwert Festival“ nicht ohne Proteste stattfinden zu lassen. Wir können und werden nicht akzeptieren, dass sich in Ostritz oder anderswo eine neonazistische Erlebniswelt etablieren kann, mit der Nazis Gelder einnehmen, ihre Strukturen aufbauen und festigen – aber vor allem auch rechte bis rechtsterroristische Netzwerke schmieden und ausbauen!

Wir sagen: Gegen völkische und neonazistische Festivals – egal wo!