Redebeitrag vom 3. November 2018

„Eigentlich wollte sich die linke Szene diesmal zurückhalten“, schrieb die Sächsische Zeitung letzte Woche über unsere heutige Kundgebung. Was sollen wir dazu sagen: Uns hat das überrascht. Offenbar hat die SäZ-Redaktion exklusive Informationen vorliegen. Uns jedenfalls war seit Sommer klar: Auch die zweite Auflage des Nazifestivals in Ostritz wird nicht ohne Protest über die Bühne gehen. Wieso soll man sich denn auch zurückhalten? Damit hunderte Nazis ungestört feiern können? Das wird es mit uns nicht geben. Und wir sind uns ziemlich sicher, dass wir das bereits im Frühjahr deutlich gemacht haben. Als wir damals mit mehreren hundert Unterstützerinnen und Unterstützern aus nah und fern eine eindrucksvolle Veranstaltung auf die Beine gestellt haben. Unter dem klaren Motto: Rechts rockt nicht! Selbstverständlich wollen wir daran anknüpfen.

Nicht ganz so überraschend ist der etwas seltsame Unterton, der in der anfangs zitierten Aussage mitschwingt. Er steht beispielhaft für ein ausgekautes Muster: Linke und antifaschistische Proteste sind irgendwie problematisch, sind irgendwie störend und passen nicht allen in den Kram. Manchen wäre es wohl am liebsten, es gäbe sie gar nicht. Das ist nicht unverständlich: Nazis, Faschist*innen und ihre Unterstützer*innen sollen genervt sein, sollen gestört werden, sollen ihre Aktivitäten im Besten Fall sein lassen. In Sachsen aber ist das eine viel weiter verbreitete Ansicht, bis tief hinein ins Regierungslager und die sogenannte bürgerliche Mitte. Deswegen hier nochmal in aller Deutlichkeit:

Das Problem in Ostritz ist nicht der Protest und sind nicht wir. Das Problem sind Nazis die mit bundesweiten Veranstaltungen im Hotel Neißeblick ihre Strukturen zu neuer Größe entwickeln wollen. Das Problem ist der Besitzer des Hotelgeländes Hans-Peter Fischer, der sein Objekt gerne an Nazis vermietet, weil er deren Anliegen teilt. Das Problem sind Behörden und Politiker*innen, die keine schlüssigen Konzepte gegen das Erstarken der Naziszene vorweisen können und überhaupt erst reagieren, wenn es öffentlichen Druck gibt. Das Problem sind weit verbreitete rassistische, antisemitische, sexistische und autoritäre Einstellungen.

Der Naziszene kommt die Situation in Sachsen entgegen. Sie nutzt die Möglichkeiten und macht mit Festivals wie dem „Schild und Schwert“ einem Publikum ein einfaches Angebot: Gegen Bargeld gibt es eine umfangreiche neonazistische Erlebniswelt. Geboten wird Musik unterschiedlicher Stile aber gleicher ideologischer Ausrichtung, Tattoos und Kampfsport. Dazu Klamotten, Bier und Politik. Dabei wird einiges Geld umgesetzt. Wohin die Einnahmen fließen werden ist klar: In die klammen Kassen der NPD und in die Taschen einiger weniger Bewegungsunternehmer, die wie Thorsten Heise die Organisierung der Szene vorantreiben. Für diese bieten solche Events gute Gelegenheiten zur gegenseitigen Vernetzung. In der Masse der feiernden Nazis fallen etwa die Kader der rechtsterroristischen Organisation Combat 18 kaum auf. Dabei handelt es sich um Strukturen, die sich erklärtermaßen bemühen ihre völkische Ideologie in Taten umzusetzen. Sie sind damit eine Gefahr für alle Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen und die Gefahr zeigt sich in den letzten Jahren in einer Vielzahl an Übergriffen gegen Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund, Jüdinnen und Juden, Lesben und Schwule, Bi- oder Transsexuelle, Linke oder zusammengefasst: Menschen, die nach ihrer Ideologie niemals dazugehören und folglich angegriffen werden.

In den letzten Jahren hat sich der Diskurs massiv nach rechts verschoben. Das Recht auf Asyl wurde weiter eingeschränkt, die Sprache verroht und die Antwort ist allerorten mehr Repression und Ausbau der Befugnisse für Polizei und Ermittlungsbehörden. Diese Entwicklung konnte die NPD nicht nutzen, sich nicht voranstellen und verschwand mehr und mehr in der Bedeutungslosigkeit. Spätestens mit dem Aufstieg der AfD, dem größten Profiteur und Anheizer der Diskursverschiebung nach rechts, verschwand die NPD, die von 2004 bis 2014 im Sächsischen Landtag vertreten war, in der Versenkung. Doch im Windschatten der Erfolge der AfD versucht sich die Partei zu reorganisieren und setzt dazu auf ein völkisches Programm. Allen voran Kader wie Thorsten Heise. Mit dem „Schild & Schwert“-Festival kann er sich selbst als Macher in der Öffentlichkeit präsentieren, er spühlt mit dem Festival Geld in die Kassen und knüpft fleissig Netzwerke. Das Geld und die Strukturen werden dringend benötigt, denn im nächsten Jahr stehen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen an. Um nicht aus der Parteienfinanzierung zu fliegen, wird sich die NPD nach Kräften um Stimmen buhlen.

Nachdem es in Thüringen für die Nazikonzerte zuletzt ungemütlicher wurde, steht zu befürchten. dass Ostritz sich als zuverlässige Alternative etabliert und zukünftig noch stärker in den Fokus der Rechtsrock-Szene rückt. Das Beispiel Thüringen macht jedoch auch deutlich, dass es durchaus Mittel und Wege gibt, um den Nazis Steine in den Weg zu legen. Voraussetzung dafür ist und bleibt gesellschaftlicher Druck. So schwierig wie die Entwicklungen in den letzten Jahren auch gewesen sind, einfach aufgeben ist keine Option. Es gibt hier in der Region, wie auch darüberhinaus in Sachsen noch zahlreiche Menschen, die sich dem Rechtsruck und den Nazis entgegenstellen. Diese Menschen gilt es zu unterstützen und deutlich zu machen, dass rechte Hetze, ihre Konzerte und ihre Propaganda nicht unwidersprochen bleibt – egal wo sie den Raum besetzen will. Gegen die rechte Ideologie der Ungleichheit stellen wir unsere Vorstellung einer solidarischen Gesellschaft in der das Miteinander nicht von Hautfarbe, Herkunft, Religion oder Sexualität abhängt. Dafür stehen wir heute in Ostritz!

Gegen neonazistische und völkische Festivals – egal wo!