Aufruf

Rechts rockt nicht!

Vom 21. – 23. Juni 2019 soll die dritte Auflage des „Schild und Schwert“-Festivals in Ostritz stattfinden. Erneut wollen sich hunderte Anhänger*innen neonazistischer Ideologie in der ostsächsischen Kleinstadt versammeln, in der Hoffnung unbehelligt ihrer Überzeugungen frönen zu können. Angekündigt sind diverse Rechtsrock-Combos, die rassistischen und antisemitischen Hass in stumpfe Musik übersetzen. Angekündigt ist ein Kampfsportturnier mit dem die Szene ihren Willen und ihre Vorbereitung auf einen kommenden Bürgerkrieg demonstriert. Angekündigt sind diverse Redner*innen aus der einschlägigen Kleinstparteienlandschaft. Sie sind der Aufhänger für die Täuschung, das „Schild und Schwert“-Festival sei eine öffentliche und politische Versammlung und keine kommerzielle Veranstaltung, mit der sich gewaltbereite und gewalttätige Neonazistrukturen finanzieren. Doch wie auch anderswo gilt hier ebenso, zum Täuschen gehören immer zwei: Zum Einen, die die täuschen und zum Anderen die, die sich täuschen lassen oder lassen wollen.

Zu letzteren muss man offensichtlich die sächsischen Behörden rechnen. Das letzte Neonazikonzert im März 2019 im Hotel Neißeblick in Ostritz besuchten ca. 500 Teilnehmende. Vorkontrollen bei den Anreisenden gab es nur sporadisch. Als sich Pressevertreter*innen am Konzertabend einen Überblick über das Versammlungsgeschehen verschaffen wollten, kam es zu Attacken seitens der Neonazis. Unter anderem wurde ein Feuerlöscher auf Pressevertreter*innen und auch Polizeibeamte entleert. Konsequenzen hatte das jedoch keine, die Polizei sah sich nicht in der Lage einzuschreiten. Stattdessen verscheuchte Anmelder Thorsten Heise die unerwünschte Öffentlichkeit von der eigentlich öffentlichen Versammlung und konnte seine Konzerte ohne Probleme beenden. Zeitgleich versammelten sich im nur 50 Kilometer entfernten Mücka noch einmal 200 Neonazis zu einem mehr oder weniger konspirativ organisiertem Konzert u.a. mit der Band Oidoxie. Diese Band wie auch viele der teilnehmenden Neonazis gehören zu Combat-18-Strukturen und damit zum bewaffneten Arm, der in Deutschland verbotenen Blood&Honour-Bewegung. Auch der Konzertorganisator Heise in Ostritz wird diesen Strukturen zugerechnet, dass beide Veranstaltungen nicht zufällig parallel stattfanden, ist wahrscheinlich. Auch das Konzert in Mücka fand ungehindert statt, die Polizei war lediglich mit einem Streifenwagen präsent.

Dieser Abend zeigt wieder einmal, dass Neonazis den Ton angeben und die Behörden mit Desinteresse reagieren, wenn direkte antifaschistische Proteste und der Druck der Öffentlichkeit fehlen. Das ist hinlänglich bekannt. Polizei, Verwaltung und Regierung in Sachsen unterschätzen regelmäßig und fahrlässig Neonaziveranstaltungen. Die Polizei wird oftmals erst aktiv und tritt zahlenmäßig relevant vor Ort auf, wenn antifaschistische Proteste angekündigt sind. So lief es jahrelang anlässlich des Neonaziaufmarschs zum 13. Februar in Dresden, so lief es in Zeiten der rassistischen Mobilisierungen seit 2014, so lief es in Chemnitz 2018, wo sich Regierung und Behörden angesichts rechter Ausschreitungen mal wieder „überrascht“ zeigten, oder gar gleich dazu übergingen, deren Existenz in Frage zu stellen. So behauptete Ministerpräsident Kretschmer in seiner Regierungserklärung, es habe in Chemnitz „keinen Mob, keine Hetzjagd und kein Pogrom“ gegeben. Für die Betroffenen der Gewalt klingt das vermutlich eher nach Hohn.

Wenn dann der gleiche Ministerpräsident ein paar Monate später fordert, man müsse „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“, dann zeigt das wie uninformiert er mitsamt seiner Regierung agiert. Es zeigt aber auch wie wenig Gewicht seinen Aussagen beigemessen werden kann. Sie sind schnell dahin gesagt, kosten nichts und sind schon deswegen besonders in Wahlkampfzeiten beliebt. Noch schneller sind sie aber wieder vergessen. Eine klare Linie oder gar eine Strategie fehlt der CDU seit Jahren. Kein Wunder, baut doch die CDU selbst immer wieder auf die Mobilisierung von Ressentiments. Im Rahmen der NSU-Untersuchungsausschüsse, also dort wo eine substantielle Auseinandersetzung möglich und auch dringend nötig wäre, demonstriert man offenes Desinteresse und stellt sich selbst und den nachgeordneten Behörden Persilscheine aus. Die Ergebnisse sind offenkundig: Am 1. Mai 2019 in Plauen leitete die Polizei Ermittlungen gegen Leute ein, die gegen einen Neonaziaufmarsch protestieren und findet nichts seltsam daran, den mit Galgen, Pyrotechnik und Trommeln ausgestattenen Neonazis den Weg freizuräumen. Davon, dass Kretschmer und seine Regierung Neonazi-Netzwerke zerschlagen wollen, war wie auch in Ostritz nichts zu spüren.

Für uns bedeutet das einstweilen, dass wir vagen Ankündigungen und Versprechen der Regierung besser nicht vertrauen. Zudem gibt es auch gute Gründe, nicht darauf zu bauen, dass Neonazis allein mit ordnungspolitischen Mitteln oder Gesetzesverschärfungen beizukommen ist. Für manche Partei ist das nur ein willkommener Anlass, um die Grund- und Bürger*innenrechte aller in Frage zu stellen. Stattdessen ist es sinnvoll öffentlichen Druck zu erzeugen, aktiv zu werden, wo Neonazis agieren und ihnen entschlossen und solidarisch entgegenzutreten. Dafür gibt es gerade in Ostritz zahlreiche Anknüpfungspunkte, haben doch zahlreiche Bürger*innen der Stadt in den letzten Monaten deutlich Position bezogen. Ihnen gilt unsere Solidarität und unsere Unterstützung. Für uns jedenfalls ist klar: Wir werden das Neonazifestival in Ostritz nicht tatenlos hinnehmen und rufen erneut zum Protest gegen das völkische Stelldichein auf! Wir werden den Neonazis den ländlichen Raum streitig machen und rufen alle dazu auf, sich uns anzuschließen! Auf nach Ostritz! Gemeinsam gegen neonazistische und völkische Festivals – egal wo!